Die Corona-Krise hat uns noch einige Zeit fest im Griff, deshalb sind auch die »Traumreisen« nicht zu Ende. Sehen wir also weiter in die Vergangenheit, um uns für die Zukunft zu rüsten. Die Fahrt
nach Rom hatte es uns offenbart, das es möglich ist, mit kleinen Mopeds der Marke NSU-Quickly weite Strecken zurückzulegen, »Abenteuer Quickly«. Mit der Motorleistung von ganzen 49 ccm unter dem
Allerwertesten sollte es dieses Mal nach Norden gehen.
Im Jahr 2011 stand die Urlaubszeit vor der Türe und mein Mann Gerd und ich überlegten, wie oder wohin wir reisen wollten. Wir saßen in einem Café am Elbufer, die Frühlingssonne brannte uns auf
den Pelz, und gaben uns den Erinnerungen hin. Ja, warum eigentlich nicht, wieder eine Tour mit den Quicklys. Seit 2007 waren wir während des Sommerurlaubs zu Fuß auf den Jakobswegen in Frankreich
und Spanien gelaufen. Für 2012 planten wir die große Pilgerwanderung von Hamburg aus nach Santiago de Compostela. Stolze 3.000 Kilometer, das war noch Zukunftsmusik.
Oslo wäre das perfekte Ziel, darüber waren Gerd und ich uns sehr schnell einig. Denn die norwegische Hauptstadt hat eine Fährverbindung nach Kiel. Wir konnten uns somit voll darauf konzentrieren,
die Route dorthin zu finden. Und das sollte gar nicht so einfach werden, wie wir später merkten. Radwege, die auch Mopeds befahren durften und kleinere Straßen mussten es sein. Entsprechend viel
Kartenmaterial schleppten wir mit. Noch eine gravierende Änderung zur ersten Moped-Reise vollzogen wir, denn Skandinavien ist ein teures Pflaster, Hotelübernachtungen sprengen den finanziellen
Rahmen. Während der Rom-Reise hatten wir gelernt, dass es absolut unnötig ist, Übernachtungsreservierungen zu machen. Seien wir zuversichtlich, denn irgendeine Schlafstelle wird sich
finden.
Ich sehe noch Gerds erstauntes Gesicht vor mir, als ich ihm vorschlug: »Lass uns einfach campen«. »Das hast du doch jahrelang abgelehnt«, bekam ich von ihm zu hören. Man kann seine Meinung ja
ändern und so kauften wir uns bei einem Outdoorhändler die entsprechende Ausrüstung, sattelten die Mopeds und ab ging’s. Zu Hause im Garten konnte man uns dabei beobachten, wie wir übten, das
Zelt aufzubauen. Ist kein Hexenwerk! Beim Hantieren pikte sich mir eine Zeltstange unangenehm in meinen gut gepolsterten Bauch. Ja, lehrreich und schmerzhaft.
Drei Wochen Urlaub hatten wir zur Verfügung. Am wolkenverhangenen 2. Juli 2011 starteten wir unser Unternehmen »Oslo«. Insgesamt waren wir bei der Planung bereits mutiger vorgegangen als vier
Jahre zuvor. Das erste Tagesetappenziel sollte bei der alten Wikingersiedlung Haithabu bei Schleswig sein. Das war hauptsächlich meine Vorstellung. Tatsächlich erreichten wir an jenem Tage nur
den Ort Westerrönnfeld am Nord-Ostsee-Kanal. Wir waren vom Regen durchweicht, nass bis auf die Haut und total durchgefroren. An den Aufbau unseres Zeltes war nicht zu denken und so suchten wir
ein Hotel auf. Bis zum nächsten Morgen musste die Motorradmontur wieder trocken sein. Sämtlich Heizkörper drehten wir auf, um das zu erreichen. Schweißperlen standen uns im Gesicht.
Nach dem nassen Auftakt wurde’s insgesamt freundlicher. Wir düsten durch Jütland und stellten dabei fest, es gibt sehr gut ausgebaute Radwege, auf denen auch Mopeds fahren dürfen. Und Gerd machte
die Erfahrung, dass seine Quickly die »dänischen Berge« nicht schaffte. Na ja, die Kompression seiner Maschine war nicht die dollste. Aber in Dänemark Anhöhen nicht zu schaffen, das will schon
was heißen. Und ein vollbepacktes Mopedle bergauf zu schieben, bedeutet viel Schweiß. Der Landschaft Nordjütlands tat das keinen Abbruch, die entzückte uns immer wieder auf dem Weg zum Fährhafen
Hirtshals.
Drei Stunden dauert die Überfahrt ins norwegische Kristiansand. Mit an Bord der Fähre waren mehrere Riesentrucks mit »Rennbooten« aus Dubai. Hier in Norwegen wurden wir öfter recht kräftig
›geduscht‹. Gleich bei unserer Ankunft in Kristiansand begrüßte uns ein Platzregen. Waren wir von Jütland begeistert, so waren wir vom südlichen Norwegen schlichtweg hingerissen. Ja, in diesen
Wäldern kann man sich Trolle und Kobolde oder Sonstetwas vorstellen. Einer von dieser Gattung dürfte bei Gerds Moped die Zündflamme ausgepustet haben. Die ließ sich jedenfalls nicht mehr
entzünden und so mussten wir bei der Pannenhilfe vom ADAC anrufen.
Die Mitarbeiterin in München waren sehr irritiert, um es mal vorsichtig auszudrücken. »Mit kleinen Mopeds sind Sie in Norwegen? Mit nichts weiter?«, bekam ich zu hören. Zwei Kilometer schoben wir
zuvor Gerds Fahrzeug, bis wir zu einem kleinen Ort namens Birkeland kamen. Dort an der Tankstelle erwarteten wir den Pannenhelfer Petter. Der konnte vor Ort nichts für uns tun und nahm uns mit zu
seiner Werkstatt nach Grimstad.
Gerd und ich dachten schon über einem Plan B nach, um unsere Reise zu retten, aber Petter konnte uns letztendlich helfen. Wie genau, könnt Ihr im Buch nachlesen. Wir gaben die Inlandsroute auf
und setzten die Fahrt entlang der Küste fort. In Arendal fand just ein großes Event statt. Motorbootrennen! Jetzt wurde uns auch klar, weshalb die Trucks aus Dubai auf der Fähre waren.
Wir nahmen nochmals Kurs aufs Inland, entlang an den Seen, die Teil des Telemark-Kanals sind. Steile Serpentinen gehörten mit zur Herausforderung. Und es schien so, dass die Panne mit Gerds
Fahrzeug die ›Bergtauglichkeit‹ verbessert hatte.
Wir sind bis heute total verliebt in diese Landschaft. Bei Larvik trafen wir dann wieder auf die Küste. In dieser Stadt wurde 1914 der von mir hochverehrte Wissenschaftler Thor Heyerdahl geboren.
In Oslo würde ich unbedingt das Kon-Tiki-Museum besuchen. Dort ist das berühmte Balsaholz-Floß ausgestellt, mit dem er den Pazifik von Peru bis Polynesien überquerte. Seit Jahren war dies meine
Absicht und nun bestand die Möglichkeit dafür. Sein Reisebericht »Kon Tiki, ein Floß treibt über den Pazifik«, befand sich selbstverständlich in meinem Reisegepäck.
Die verkehrsmäßig stark frequentierte Region um Oslo stelle sich als große Herausforderung für uns dar. Autobahnen dominieren das Gebiet und wo die kleinen Sträßchen sind, die uns nach Oslo
bringen, war zunächst noch ein Geheimnis. Wir irrten ziemlich viel in den Bergen herum, ohne der Stadt wirklich näher gekommen zu sein. Einheimische halfen uns auf die Sprünge.
Schon zu Hause hatte ich in Oslo einen Campingplatz ausgewählt. Die Skisprungschanze Holmenkollen hatten wir hier in der Nähe. Und natürlich hier in Oslo besuchten wir alles, was sehenswert ist.
Vor allem das Kon-Tiki-Museum. Die Fahrzeuge ließen wir auf dem Platz stehen und fuhren mit Bussen und Bahnen. Wie schön, dass wir über ausreichend Zeit verfügten.
Für den 20. Juli hatten wir die Rückfahrt mit der Fähre nach Kiel gebucht. Einen weiteren geschlagenen Tag benötigten wir für die Rückfahrt von Kiel nach Hause. Dort hörten wir dann von dem
schrecklichen Anschlag vom 22. Juli 2011, der in Oslo und auf der Insel Utøya so viele Menschenleben kostete.
Dies war die letzte große Tour dieser Art mit den schnuckeligen Quicklys. Wir wollten uns motormäßig stärker aufstellen und nahmen die Lambretta-Motorroller ins Visier. Das aber ist wiederum eine ganz andere Geschichte und wenn Ihr mögt, erzähle ich sie Euch. Ich hoffe sehr, es geht Euch allen gut. Lasst Euch die Zeit nicht lang werden.
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