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alles freiwillig – Pilgerbericht

3. Oktober 2012, heute vor acht Jahren erreichten mein Mann Gerd und ich nach der sechsmonatigen Wanderung durch Europa unser Ziel – Santiago de Compostela. 

Am dritten und vierten Oktober feiern die Kirchen den Tag des Heiligen Franziskus, den Ordensgründer, der am 3. Oktober 1226 in Assisi in den Abendstunden verstarb. So erlebten wir Pilger in der Kathedrale von Santiago einen besonderen Gottesdienst zum Gedenken an den Heiligen. Das große, silberne Weihrauchfass schwangen mehrere Männer an den Seilen, am Ende der Messe, durch die Kathedrale. 

Am 23. April 2012 starteten wir unsere 3.000 km lange Pilgerwanderung bei der St. Jacobi-Kirche zu Hamburg.

 

Ein ganz persönliches Highlight war jener 3. Oktober im Jahr 2012. Einerseits fieberten wir dem Ziel entgegen, andererseits plagte uns der Gedanke, dass es dann vorbei sei. Passé die vielen Begegnungen mit der internationalen Pilgerschar, die anrührenden, ernsten und auch lustigen Begebenheiten. Was bleibt, ist die Sehnsucht, sich wieder auf den Weg zu machen. Allerdings macht hier zunächst Corona einen Strich durch die Rechnung. 

Sehr unterschiedlich waren die Erfahrungen. In Deutschland und Frankreich trafen wir äußerst selten auf andere Pilger, das änderte sich grundlegend in dem Moment, als wir Spanien betraten. So verschieden die Eindrücke auch waren, wir haben sehr viel für unser weiteres Leben aus dieser Wanderung gezogen.

Unseren Pilgerpfad säumten Stätten mit historischen Geschehnissen, meistens kriegerischer Art. außerdem kreuzten wir Orte, an denen große Persönlichkeiten gewirkt hatten. Von den Naturereignissen mal ganz zu schweigen. Von herrlichen Sonnenaufgängen bis hin zu tiefschwarzen Gewitterwolken. Vom Hasen, der zur Salzsäule erstarrte und vom Fuchs, der uns aus einem Gebüsch heraus beobachtete bis hin zu den vielen toten Wildtieren am Straßenrand.

Kalkriese am Teutoburger Wald, hier fand man Spuren auf das Schlachtfeld der Varus-Schlacht. In der Eifel und in Lothringen stießen wir auf Zeugnisse der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Deutschland des 19. und 20. Jahrhunderts. 

Nach Metz wollte ich schon immer einmal gereist sein, dass ich dort zu Fuß hingehen würde, das hatte ich mir nicht vorgestellt. Die Kathedrale Saint-Étienne ist mit Glasfenstern des Marc Chagall geschmückt. In der Champagne trafen wir im Ort Essoyes auf die Spuren von Pierre Auguste Renoir und späterhin auch in Limoges. 

Eine Heilige säumte in Lothringen den Weg, Jeanne Arc, die kampfbereite Jungfrau wurde im Ort Domrémy-la-Pucelle geboren. Ein paar Kilometer weiter hatte ein großer französischer Präsident seinen letzten Wohnsitz: Charles de Gaulle. Und ein streitbarer Abt, Bernhard von Clairvaux erbaute hier sein Kloster. Im burgundischen Vézelay werden wir mit seiner Kreuzzugpredigt konfrontiert sein. 

Wir trafen auf eine Handvoll anderer Pilger, auf lustige Winzer und auf kauzige Herbergswirte und immer wieder auf Menschen, die uns in allen möglichen Situationen weiterhalfen. Großartige Gastfreundschaft genossen wir unterwegs und herrliche Landschaften. Was stören da ein paar schmerzende Füße.

Im Baskenland beschäftigten uns die Anschläge und die historischen Gründe der Untergrundorganisation ETA. Und in Gernika die Zerstörungswut der deutschen Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg. So wanderten mein Mann Gerd und ich, nun in Begleitung etlicher Pilger an der Küste des Golfs von Biscaya entlang. Kirchen, Klöster und Tempelritter machen den christlichen Pilgerpfad deutlich. 

Als im »Alten Land« bei Hamburg die Obstbäume blühten, starteten wir und nun im Herbst zur Zeit der Fruchtreife, nähren wir uns dem Ziel: Santiago de Compostela. Und wir sind tief betrübt, dass es nun bald vorbei sein wird. Eine äußerst widersprüchliche Gefühlslage. Wir trotzen den unterschiedlichsten Wetterlagen und großen und kleinen Herausforderungen. Keinen Tag davon wollen wir missen.