G – wie Gedanken (alles freiwillig, sechs Monate auf dem Jakobsweg)
Krieg und Frieden tangieren unseren Weg. Zeit, sich darüber klar zu sein, wie gut es uns hier in Deutschland geht. Seit vielen Jahrzehnten hat s in unserem Land keine kriegerischen Auseinandersetzungen gegeben. Bei Osnabrück treffen wir auf das Gebiet, in dem vermutlich die Varusschlacht stattgefunden hat. Gleichzeitig ist Osnabrück eine der Städte, in der im Dreißigjährigen Krieg der Frieden geschmiedet wurde. So wanderten Gerd und ich auch auf dem »Friedensweg 1648« nach Münster, wo der Westfälische Friede besiegelt wurde.
Auf viele Schlachtfelder trafen wir, aber ein sehr kleiner deutscher Friedhof in Lothringen wenige Kilometer hinter Metz hat mich tief beeindruckt. Denn dort wird der ganze Wahnsinn offenbar:
Wir näherten uns einem mit einer gepflegten Hecke eingezäunten Areal. Es handelt sich um den Soldatenfriedhof von Ancy-sur-Moselle. Hier sind gefallene Soldaten aus dem deutsch/französischen Krieg 1870/71 begraben. Das wird gleich aus dem schmiedeeisernen Tor deutlich: „Deutscher Krieger Friedhof 1870/71“ ist dort zu lesen. Wir waren sehr interessiert und unterbrachen die Wanderung. Dieser Friedhof ist eher klein, nicht mit den langen Gräberreihen, wie man es von den Bestattungen aus den beiden Weltkriegen her kennt. An der Bitterkeit, dass es wieder teilweise sehr junge Männer getroffen hatte, ändert auch nicht, dass das schon so lange zurück liegt. Dieser Krieg wurde nicht für die Verteidigung der Heimat gebraucht, er wurde heraufbeschworen durch ehrgeizige Politiker, die sich profilieren wollten. Wir schritten die Reihen ab und lasen die Inschriften der Grabkreuze, Kanoniere, Musketiere, einjährige Freiwillige, Lazaretthelfer, Feldwebel, Offiziere, teilweise mit Namen und sonstigen Daten benannt. Sie alle hatten hier in der Fremde ihre letzte Ruhe gefunden, fern von der Heimat und von den Angehörigen. Ein blumengeschmückter Obelisk schließt optisch den Friedhof zur Straße hin ab. Auf einem kleinen Schild konnten wir noch lesen, dass dieser Militärfriedhof vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gepflegt wird. Diese landschaftlich herrliche Moselregion ist eine Region der Schlachtfelder, ob jetzt Mars-la-Tour, Verdun, Pont-á-Mousson, die Maginot Linie, 1870/71 und in den beiden Weltkriegen aufs heftigste umkämpft.
H – wie Heilige (alles freiwillig, sechs Monate auf dem Jakobsweg)
In der katholischen Kirche spielen die Heiligen eine große Rolle. Sind ihnen doch Eigenschaften und Aufgaben zugeordnet. So verwundert es nicht, dass sich unsere Pilgerpfade mit den Wirkungsstätten von heiliggesprochenen Männern und Frauen kreuzten. Angefangen mit den Heiligen Drei Königen, Jeanne d`Arc, Bernadette Soubirous, Ste. Foy, St. Antón, und dann natürlich an unserem Pilgerziel der Apostel St. Jakobus. Diese Aufzählung ist nicht vollständig. Wir machten in der Eifelstadt Prüm eine dringend notwendige Erholungspause. Dort hatten wir eine besondere Begegnung. Ich habe mir aus meinem Pilgerbericht die Textstelle herausgesucht:
Während wir die Basilika St. Salvator besuchten, wurden wir mit den Teilnehmern der „Springprozession“ konfrontiert. Springprozession? Damit konnten wir überhaupt nichts anfangen. Man war sehr bemüht, es uns zu erklären, verwies dann letztendlich auf das Internet. An diesem Pfingstdienstag wurden die Teilnehmer der Prozession, die im luxemburgischen Echternach stattfand, in Prüm zurückerwartet. Wir entschlossen uns, gemeinsam mit den Prozessionsteilnehmern, die teilweise stark humpelnd den Bus verließen, an der nachmittäglichen Abschlussandacht in der Stiftskirche teilzunehmen. Begonnen hatte diese Prozession am Pfingstsonntag in Prüm, wo die Wallfahrer zunächst bis nach Waxweiler, das als der Ursprungsort der Springprozession gilt, und weiter über Bollendorf nach Echternach wanderten. Unterwegs stießen immer weitere Pilger aus den anderen Ortschaften zum Prozessionszug dazu. Diese Pilger hatten den Weg von Prüm nach Echternach innerhalb von zwei Tagen bewältigt, alle Achtung! Gerd und ich werden für die gleiche Strecke drei Tage benötigen, mit einem beständigen steilen bergauf und bergab. In Echternach verbanden sich die Teilnehmer mit kleinen Dreieckstüchlein zu Reihen von fünf Personen und gingen so in einer tänzerischen Schrittfolge mit musikalischer Begleitung bis zum Grab des Heiligen Willibrord in der Echternacher Basilika. Willibrord?? Von dem hatten wir bisher noch überhaupt „nie nichts“ vernommen. Macht ja nichts, lässt sich alles nachlesen. Der Heilige wurde im Jahr 658 in Northumbrien/England geboren und er erreichte ein für seine Zeit ausgesprochen biblisches Alter von 81 Jahren. Er erhielt in Irland die Priesterweihe und machte sich daraufhin auf den Weg, die heidnischen und sich heftig wehrenden Friesen zu bekehren. Entgegen anderer missionierender Geistlicher versicherte sich Willibrord der Unterstützung des Papstes und des karolingischen Herrscherhauses, dessen späterer Spross Kaiser Karl der Große sein sollte. Pippin II. und seine Familie schenkten Willibrord, der inzwischen vom Papst zum Erzbischof geweiht wurde, größere Ländereien in Echternach, die es Willibrord ermöglichten, dort ein Kloster zu gründen. Als er am 7. November 739 verstarb, wurde er in der Klosterkirche beigesetzt und sehr bald wurde er als Heiliger verehrt und die Gläubigen wallfahrten zu seinem Grab, um Heilung zu erbitten.
I – wie Inspiration (Jakobspilger querfeldein)
Ich erwähnte es schon an anderer Stelle, ich sehe gerne anderen Leuten in die Kochtöpfe.
Wir wanderten am Zentralmassiv im Aubrac. Das ist die Landschaft, mit den wunderschönen milchkaffeebrauen Kühen. Wir können das beurteilen, den wir marschierten über unzählige Weiden und stiegen über Gatter, sprangen über Bäche. In der Herberge von Finieryrols servierte man eine Besonderheit, aber lest selbst:
Unser Abendessen ist ein echtes Erlebnis und leider haben wir unsere Kamera auf dem Zimmer, als dieses Gericht serviert oder besser gesagt zelebriert wird. Es gibt „Aligot”. Das ist eine Spezialität des Aubrac und ein traditionelles Pilgeressen. Ich hatte davon gelesen und dieses Gericht wollte ich mir auf gar keinen Fall entgehen lassen. Die Wirtin erscheint mit einen großen Topf, aus dem sie mithilfe eines Kochlöffels eine teigige Masse etwa einen Meter weit herauszieht. Dieses Produkt sieht aus wie ein dünner Strudelteig und alle Gäste sind begeistert und applaudieren und fotografieren. Die Köchin verteilt daraufhin diese Masse auf die Teller, auf denen das Gericht gummiartig zusammenschrumpft. Dazu wird Wildschweinkeule gereicht. Ich weiß nicht wieso, irgendwie fiel mir Obelix ein.
Ich wäre nicht ich, wenn ich mir nicht das Rezept besorgt hätte, gekritzelt auf eine Serviette und hier ist es:
Aligot
1,5 kg mehlig kochende Kartoffeln
600 g Tomme (das ist der spezielle Aubrac-Käse, eine Französin hat mir gesagt, dass unbedingt darauf zu achten ist, dass es ganz junger Tomme sein muss)
300 g Crème Fraîche (manche Rezepte enthalten außerdem noch Butter)
1-3 Knoblauchzehen (können auch weggelassen werden)
Frisch geriebene Muskatnuss
Frisch gemahlener Pfeffer
Salz
Die Kartoffeln kochen und durch eine Kartoffelpresse drücken. Den Käse in dünne Scheiben schneiden und zusammen mit der erhitzten Crème Fraîche Stück für Stück unter die Kartoffelmasse rühren, gepressten Knoblauch hinzufügen und dann Luft unter die Masse schlagen, bis diese Masse Fäden zieht. Das Aligot abschmecken.
Dieses Gericht erfordert einen großen körperlichen Einsatz der Köchin und wie man auf den ersten Blick erkennen kann: ein wahres Diätessen! Diese Pilgerspeise liegt schon etwas schwer im Magen und wir brauchen etliche Cognacs, um dieses Aligot zu verdauen!