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Pilger Buchstaben J K L

J – wie Jakobus (Jakobspilger querfeldein)

Hierfür habe ich eine Textstelle zur Ankunft in Santiago de Compostela herausgesucht:

Angekommen, aber doch noch nicht da, so fühle ich mich. Das ist alles nicht zu fassen, wie im Traum steige ich die Treppe hoch, die zu der edelsteinverzierten Statue des Jakobusses führt. Traditionsgemäß wird der Apostel umarmt und geküsst. Das tun wir dann auch und es ist schon sehr emotional. Ein Mönch gibt uns ein Heiligenbild und wie ich später lese, gehört die Verteilung der Heiligenbilder zu den Zählmechanismen, um die Anzahl der Pilger zu ermitteln. Anschließend suchen wir die Krypta unter dem Altar auf, wo die Reliquien in einem silbernen Sarkophag ruhen. Wir haben jetzt noch verwaltungstechnisch etwas zu erledigen, denn in dem verregneten Santiago folgen wir jetzt der Wegweisung zum Pilgerbüro. Dort wird das Ende der Pilgerschaft im Credencial eingetragen. Außerdem erhalten Pilger, die den Regeln gefolgt sind, dort den „Compostela“, die Urkunde über die vollendete Pilgerschaft im religiösen Sinn. Der Compostela ist in lateinischer Sprache abgefasst und auch die Vornamen der Pilger werden latinisiert. Gerds lateinischer Vorname lautet: Gerardum. Nur mit meinem Vornamen „Reingard“ gibt es Probleme. Der Mitarbeiter des Pilgerbüros macht sich sehr viel Mühe, die lateinische Deutung für meinen Namen herauszufinden. Das gelingt ihm jedoch weder mit seinem Nachschlagewerk, noch mit dem Computer. „Kein Problem“, meint er, wir nehmen den Vornamen einfach wie er ist. Während er im Computer nach den Namen sucht, unterhalten wir uns mit ihm, über das Unwesen der nervigen Leute, die sich durch das Hape Kerkeling-Buch aufgerufen fühlten, den Jakobsweg kennen zu lernen. Dass diese Menschen den Camino erleben wollen sei in Ordnung, nicht in Ordnung ist, dass sie mitunter sehr unsensibel agieren. Er bestätigt uns, dass die Pilgerzahlen seit dem Erscheinen des Buches des deutschen Komikers in die Höhe gegangen seien; vom 8.000 deutschen Pilgern in 2006, 14.000 in 2007 und für 2008 werden 20.000 Pilger allein aus Deutschland erwartet. Zum Schluss gibt er uns noch dem Tipp, im Internet die Übersetzung des lateinischen Textes des „Compostelas“ ins Deutsche zu suchen. Und hier ist die Übersetzung: »Das Kapitel dieser mütterlichen, apostolischen und metropolitanischen Kirche von Compostela, der Wächter des Siegels des Altares des seligen Apostels Jakobus, in der Absicht, allen Gläubigen und Pilgern, die aus dem ganzen Erdkreis beseelt von Verehrung oder eines Gelübdes willen vor der Tür unseres Apostels, des Patrons und Schutzherren der spanischen Lande, des heiligen Jakobus, zusammengekommen, echte Schreiben zur Bestätigung des Besuches zu verschaffen, macht allen und jedem, die in das Vorliegende Einblick nehmen, bekannt, dass (Vorname und Nachname des Pilgers) dieses allerheiligste Gotteshaus, von Frömmigkeit getrieben, ehrerbietig besucht hat. Zur Beglaubigung dafür überreiche ich dir/Ihnen dieses vorliegende Schreiben, versehen mit dem Siegel eben derselben heiligen Kirche.«

Gegeben in Compostela den  (Tag, Monat, Jahr).“ In den heiligen Jahren erfolgt noch der Zusatz „Annus Sanctus“.

 

K – wie Kathedrale (Jakobspilger querfeldein)

Auf unserem Pilgerweg besuchten wir etliche Kathedralen, nahmen auch an Gottesdiensten teil. In Santiago selber unterhält das katholische Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz eine deutschsprachige Pilgerbetreuung. So boten sie dort einen geistlichen Rundgang um die Kathedrale an.

Für meinen Text wählte ich die Kathedrale von Burgos aus:

In der Kathedrale liegt er begraben, zusammen mit seiner Gattin Doña Jimena, “der zu guter Stund geboren”, der Campeador, der Cid, Rodrigo Díaz de Vivar (oder auch Bivar). Burgos, das war seine Heimat und er ist eine weitere Gestalt der mittelalterlichen Geschichte auf diesem Weg, der ein Heldenepos gewidmet ist. Das Heldenlied: „Cantar de Mĭo Cid”, schildert in blumenreicher Sprache die Verdienste des Cid um seine christliche Heimat. 

Er, der seinen König Don Alfonso VI. dazu genötigt haben soll, einen heiligen Eid darauf zu schwören, dass der König bei der Ermordung seines Bruders Sancho II. nicht seine Hand im Spiel hatte. Der Cid hatte dem König Don Alfonso nie recht Glauben schenken können und der König hatte den Cid Ruy Díaz bei der nächstbesten Gelegenheit in die Verbannung geschickt. 

„Cid, mein Cid, rechtzeitig habt Ihr Euch mit Eurem Schwert umgürtet.“ Der Campeador beschämt seinen König durch eine Vielzahl von Siegen und Trophäen. Mitunter wurde auch mit den Mauren als Verbündete gegen christliche Herrscher gekämpft und das Epos ist ein Wirrwarr aus Heldentum und Treue, Verrat und Intrigen und Beute. Das sind die Geschichten, die Jahrhunderte lang auf den Marktplätzen und in zugigen Kastellen erzählt und ausgeschmückt wurden und damit eine immer verklärtere Wertung der Ereignisse erfuhren.

Um den Tod des Cid im Jahr 1099 in Valencia ranken sich Legenden. So soll er, tödlich verwundet, seine Getreuen dazu aufgefordert haben, seinen Leichnam in voller Rüstung auf sein Pferd zu binden und in die entscheidende Schlacht zu schicken, um seine Söldner zu motivieren und das Letzte aus ihnen heraus zu holen. Sehr eindrucksvoll ist diese Legende in dem Kinofilm mit Charlton Heston und Sophia Loren geschildert. Allerdings sind die Historiker da ganz anderer Ansicht, was das Leben und Sterben des Campeadors (ca. 1043 bis 1099) angeht. Das Grab des Cid und seiner Frau Doña Jimena de Oviedo ist erstaunlich schlicht gehalten. Das liegt hauptsächlich daran, dass der Cid zunächst in Valencia beigesetzt war und als die Eroberung dieser Stadt durch die Mauren drohte, in das Kloster San Pedro de Cardeña bei Burgos umgebettet wurde. Sehr viel später, im 20. Jahrhundert, wurde das Ehepaar dann in der Kathedrale von Burgos beigesetzt. Die meisten Grabstätten der Grande, Bischöfe und Baumeister sind mit erheblichem künstlerischem Aufwand, nach dem Geschmack der Zeit, gestaltet.

Das Erscheinungsbild der Kathedrale von Burgos erinnert ein wenig an den Kölner Dom. Das ist kein Zufall, denn ein gewisser Johannes von Köln (1410 – 1481) hat an diesem Bauwerk als Baumeister gearbeitet. Die Kathedrale, riesengroß und von unendlicher Schönheit und Reichtum, fast schon ein wenig erschreckend. Ganz besonders beeindruckend ist das Sternengewölbe, welches das Tageslicht durchscheinen lässt.

 

L – wie Lachen (alles freiwillig)

Es gab viel zu lachen auf unserem Weg. Über uns selber und über andere. Wir fanden verschiedene Male, dass wir ganz schön schräg drauf sind und trafen oft genug unterwegs auf Mitmenschen, denen es ähnlich ging.

Wenn das Wetter es erlaubte, bevorzugen Gerd und ich eine Mittagspause möglichst mit Panoramablick. Das musste schon sein. Doch lest selbst, was sich alles so ereignen kann:

Auf unserem Weg nach Bouzais verließen wir das Departement Allier und kamen nach Cher. Um zu der Stadt Saint-Amand-Montrond zu gelangen, konnten wir aus zwei Routen wählen und wir entschieden uns für die Route entlang am Canal de Berry, dorthin gelangten wir über wild verwucherte Wege. Am Kanal machten wir eine Pause, in bewährter Manier, Poncho ins hohe, struppige Gras, Schuhe ausziehen und dann locker ausstrecken! Als wir dort so gemütlich ruhten, hielt ein kleines Auto neben der Brücke und ein steinaltes Ehepaar stieg aus. Sie gingen alle beide an Gehstöcken. Und da wir gerade so da rumlagen konnte man gleich ein kleines Schwätzchen beginnen. Woher und wohin und warum, das sind im Allgemeinen die Standardfragen. Monsieur war begeistert, dass wir aus Deutschland kamen, denn er hatte als französischer Soldat in Berlin gedient. Ein paar Brocken Deutsch konnte er noch und die gab er zum Besten. „Fräulein, wollen Sie mit mir spazieren gehen??“ oder „Fräulein, wollen Sie mit mir schlafen?“ Der alte Herr schwelgte geradezu in Erinnerungen, was wohl Madame dazu meint? Wir haben uns vor Vergnügen im Gras gekugelt. Diese Geschichte vom Canal de Berry sorgte noch am Abend in der Herberge für ausgelassene Heiterkeit. Die beiden alten Herrschaften, beide Mitte der Achtziger, waren sehr gut beieinander, denn sie erzählten uns, dass sie täglich einen Spaziergang am Kanal machten, obwohl sie schlecht zu Fuß wären und die Wege eigentlich eher Knüppeldämme denn Promenaden wären. Erst im Stadtgebiet von Saint-Amand-Montrond waren es wirkliche Promenaden. Wir durchquerten die Stadt, denn unser Ziel Bouzais lag noch ein paar Kilometer außerhalb. Harriet und Wouter, ein holländisches Paar, hatten sich für den dreiwöchigen Dienst in einer Pilgerherberge entschieden. Auch hier wieder vier bis sechs Betten für die Pilger und die beiden Hospitalieros hatten einen klitzekleinen eigenen Raum. „Für Notfälle“, sagte Wouter „gäbe es noch ein paar Matratzen.“ Wouters Mutter müssen wir sehr dankbar sein, denn sie hat ihren Sohn gelehrt, wie man hervorragend kocht und backt! Die beiden Herbergen in Ainay-le-Château und Bouzais waren für uns wirkliche „Rundumwohlfühl-Stätten“ zum Auftanken der Energiereserven und zum Kennenlernen von Land und Leuten.