Pilger Buchstabe Y Z

Y - wie Yachthäfen (alles freiwillig)

Der Buchstabe Y macht es mir nicht leicht, zumal in der deutschen Sprache. Die nordspanische Küstenregion ist Touristengebiet und es wird auch viel »Geld« zur Schau gestellt. Das merkt man auch an den Yachten, die in den Sportboothäfen dümpeln. Der im Ausland bekanntester Ort ist vermutlich San Sebastián im Baskenland. Gerd und ich sind entlang der Küste durch viele Seebäder gekommen. So nun habe ich die mühsame Kurve gekriegt zu einer lustigen Begebenheit:

Zwangspause in Llanes! „Gerd tun die Knochen weh. Er kann nicht auf der Seite liegen. Es wird allerhöchste Zeit zum Ausruhen“, das war mein Kommentar im Tagebuch. Tatsächlich hatten wir seit Ende August, seit mehr als zwei Wochen, keinen Pausentag mehr gehabt. Allerhöchste Eisenbahn und so loteten wir aus, ob wir in der Albergue „La Estación“ noch eine weitere Nacht bleiben konnten. Llanes ist ein hervorragender Ort für eine Unterbrechung, hier brummt das Leben, Geschäfte, Bars und Restaurants sind reichlich vorhanden und wie wir feststellten, die Unterhaltung kam hier nicht zu kurz. Zunächst mussten wir dringend unsere Ausrüstung ergänzen, denn die Unterwäsche war durch sehr häufiges waschen und tragen schon wieder völlig zerschlissen. Wir machten unseren Rundgang durch die Stadt, als Kulisse hinter den Altstadthäusern hatten wir immer wieder den Blick auf die Picos de Europa. Laut Wanderführer soll diese Stadt, die Strände und die Umgebung als Filmkulisse von den Filmschaffenden sehr geschätzt werden. Bei unserem Spaziergang trafen wir den Holländer Jan, dem wir schon öfter in den Herbergen begegnet waren. Er war in Bordeaux auf der Via Turonensis mit seiner Pilgerwanderung gestartet. Wie er uns berichtete, war sein Weg in Frankreich vermutlich noch viel einsamer als der unsere. Wir hatten wenigstens ab und zu Gesellschaft. Auch Jan hatte eine verletzungsbedingte Pause eingelegt und hoffte, dass seine Beinschmerzen bald nachlassen würden.

Am Nachmittag fand beim Sportboothafen mitten in der Stadt ein lustiger Event statt. Wir wunderten uns darüber, dass auf einem mobilen Kran Kameras, Lautsprecher und Mikrofone installiert wurden. Bei einem LKW hatte man auf seiner Ladefläche eine lange Stange befestigt, die in das Hafenbecken hineinragte. Als sie damit anfingen, auf die Stange Schmierseife aufzutragen, da ging uns ein Licht auf. Um dieses Schauspiel zu sehen, sollten wir uns einen guten Logenplatz suchen und den fanden wir in einer Bar auf der gegenüberliegenden Seite des Hafenbeckens. Die Moderatoren forderten nun die Zuschauermenge auf, ihr Glück zu probieren. „Vaya hombres!“ „Ihr schafft es!“ Man konnte diese Stange überwinden wie man wollte, darauf reiten, rutschen oder balancieren; Hauptsache, die rote Spitze am Ende der Stange wurde mit der Hand berührt, bevor der Akteur ins Hafenbecken stürzte. Es dauerte eine ganze Zeit, bis es dem Ersten gelang, sich wenigstens auf der Stange zu halten und nicht sofort ins Becken zu stürzen, wo schon Helfer in einem Gummiboot warteten. Einige hatten sich für diesen Balanceakt kostümiert und im Laufe des Nachmittages fanden sich immer mehr Mädchen ein, die ihr Glück wagen wollten, es war also keine reine Männerveranstaltung mehr. Die Jungs und Mädels versuchten bäuchlings über die Stange zu rutschen, an der Stange mit den Beinen und Armen hängend ans Ende zu hangeln oder aufrecht zu balancieren, mit Anlauf und schnellem Tempo oder ganz vorsichtig, doch meistens landeten sie vorzeitig im Wasser. Immer angefeuert vom Publikum und der Beifall der Massen war riesengroß, als es dem ersten Mitwirkenden gelang, die rote Spitze zu berühren und daraufhin gelang es immer mehr Teilnehmern bis an das Stangenende zu kommen. Gar nicht einfach, dieses Unterfangen, denn die Stange dürfte in Verbindung mit dem Wasser immer glitschiger geworden sein. Einige der Balancekünstler werden sich wahrscheinlich ganz schön die Knochen poliert haben, beim Absturz von der Stange. Zu ernsthafteren Unfällen war es wohl nicht gekommen und so überwog der derbe Spaß!

„Na, mein Gerd, mit deinen alten Knochen alles roger?“ Die kleine Ruhepause hatte ihm gut getan, die Behandlung mit den Cremes aus der Reiseapotheke tat ein Übriges. Ab und zu jaulte die Hüfte kurz auf, dann ging’s wieder. Die Mammutetappe von Llanes nach Ribadesella mit vierunddreißig Kilometern ließen wir noch klaglos über uns ergehen. Mit den beiden Folgeetappen sollten wieder solche Größenordnungen überwunden werden und da haben wir die Touren einfach nach eigenem Gusto aufgeteilt. Gerd schrieb ins Tagebuch: „ganze Zeit leichter Weg mit viel Gequatsche von Llanes bis nach Ribadesella!“ Kurz hinter Llanes hatten wir Jill, Kit und den US-Amerikaner Zak getroffen und waren mit ihnen den ganzen Tag zusammen gelaufen. Zak stammt aus Oregon und er war von Gerds Schirmmütze sehr begeistert, denn die Firma Columbia, der Hersteller von Sportkleidung und somit von Gerds Mütze, ist in Portland, Oregon ansässig. Wie schön, die so unverhofften Heimatgefühle. Immer, wenn wir Zak unterwegs trafen, war er in Begleitung junger Mädchen, wie zwei Amerikanerinnen und zwei Norwegerinnen. Wir hatten ihn schon damit aufgezogen, dass er wohl einen Fanclub brauche und er widersprach uns nie! Wir erfuhren einiges aus dem ganz normalen Leben in Nordamerika. Zak ist von Beruf Physiotherapeut, ganz nebenbei, für Pilger ein ausgesprochen nützlicher Beruf. In den USA muss die Berufsausbildung aus eigener Tasche bezahlt werden und so hat Zak sich auf Jahre verschuldet, um die Schule für Physiotherapeuten zu bezahlen. Der Kanadier Kit ist zwar schon fast am Ende seiner beruflichen Laufbahn, aber solange das Geschäft mit Rohstoffen, den Bodenschätzen, so gut läuft, möchte er noch weiter in seinem Beruf als Geologe tätig sein. Mit einer guten Unterhaltung vergeht die Zeit kurzweilig, wie im Flug! Vor Ribadesella sprach uns eine junge Frau an. Sie hatte ein kleines Dossier mit Fotos bei sich und sie bot ihre Ferienwohnung mit drei Schlafzimmern, Küche, Bad für Übernachtungen an. Da wir fünf Pilger waren, war ihr klar, dass wir nur eine Nacht bleiben würden. So eine Ferienwohnung mitten in der Altstadt, das kam uns gerade gut zu pass und so konnten wir nach dieser langen Wanderung schön entspannen. Den Abend ließen wir gemeinsam in einer Sidería auf dem Platz vor dem Rathaus ausklingen. Ein paar Fläschchen Sidra, ein paar Fläschchen des asturischen Nationalgetränks blieben dabei auf der Strecke. 

 

Z – wie Zeitlosigkeit (Jakobspilger querfeldein)

Die sommerliche Hitze machte sich bemerkbar und wir wanderten unaufgeregt durch die Lande nach Châteaumeillant und La Châtre bis nach Neuvy-Saint-Sépulchre. Unterwegs hielten wir verstärkt Ausschau nach dem Château de Sarzay. So ein Château, das sollte man doch weithin sehen können, glaubte ich zumindest. Als wir davor standen, wunderte ich mich, denn auf den Fotos sieht alles so imposant aus und nun, so in Natura vor uns, ist es nicht ganz so eindrucksvoll wie erwartet. Trotzdem war es eine sehr interessante Besichtigung und wir fühlten uns schon wie ritterliche Burgbewohner. Anhand dieser Burganlage wurde ganz deutlich, wie wenig Komfort die Bewohner hatten und im Umkehrschluss bedeutet das, wie erbärmlich die Knechte und Mägde gelebt haben dürften, ohne eigene Rückzugsorte, auf Strohsäcken mussten sie schlafen, dort, wo gerade Platz für ein Lager war. Betten, die gab es nur für die Herrschaft und diese Betten mußten noch mit den Gästen geteilt werden.

Eine Ummauerung und ein tiefer Burggraben mit Zugbrücken schützte diese Anlage vor Feinden. In den Burghöfen liefen die Haustiere frei herum, nur der Esel war angepflockt. Ein Schild wies darauf hin, dass Gäste, die zu Pferd anreisen, ausdrücklich sehr willkommen seien. Und so waren vor dem Burgtor Pferde und Wagen abgestellt. Die Remise der Burg kann man zu Eventzwecken mieten und ansonsten müssen die privaten Besitzer des Châteaus zusehen, wie sie finanziell klar kommen, denn Fördermittel erhalten sie für die denkmalgeschützte Anlage nicht. Der Schriftverkehr zu diesem Thema liegt in der Burg aus. Auch wenn es an der eindrucksvollen Größe mangelt, diese historische Burg haben wir in unser Herz geschlossen.