Abenteuer Quickly

Leseprobe:

 

Von 2006 bis 2011
Wenn man sich für Oldtimer interessiert, gibt es ein reiches Angebot von Veranstaltungen in ganz Deutschland. Und wenn man gesteigerten Wert darauf legt, auch in der Wohnortumgebung könnte man fast jedes Wochenende im Sommerhalbjahr einen Oldtimer-Markt oder eine Oldtimer-Schau besuchen. Wir sind inzwischen Mitglieder im Förderverein des Freilichtmuseums Kiekeberg in Ehestorf bei Hamburg geworden. Dort werden jährliche Treffen von Oldtimern, vier- und zweirädrig und Traktoren und sonstigen landwirtschaftlichen Fahrzeugen durchgeführt. In unserer Kreisstadt Winsen an der Luhe findet jährlich eine sehr große Oldtimerschau statt, die das gesamte Stadtgebiet mit einbezieht. Es werden Fahrzeuge in allen Preiskategorien gezeigt, vom Rolls-Royce und MG über VW und BMW-Isetta, Motorräder, Mopeds bis hin zum Traktor. Von der Qualität dieser Ausstellung sind wir sehr beeindruckt. Das Schloss Augustusburg in Sachsen, das NSU-Museum in Neckarsulm und eine Vielzahl kleinerer Sammlungen haben wir zwischenzeitlich besucht; der Oldtimer-Bazillus lässt grüßen!
In der Schrauberszene kennt man sich inzwischen mit Namen und man kennt vor allem die Schätzchen der anderen. Fachsimpeln oder Benzingespräche gehören dazu und sogar ich bin unterdessen in der Lage, mit meinen Fachkenntnissen andere Leute zu verblüffen. Der junge Mann hat sich kaum wieder eingekriegt, als ich ihm was vom Staudruck erzählte, als die Sprache auf den Auspuff kam, ganz locker, er selber hatte noch nie etwas davon gehört. Gerd lacht noch heute darüber, wenn das Gespräch auf den Staudruck kommt. Ich musste allzu oft als OP-Schwester bei Reparaturen fungieren. Nicht Schere und Tupfer, sondern Schraubendreher, Zange und Engländer anreichen, irgendwelche Muttern beim Gegenkontern fest-halten und so weiter, wofür Hilfskräfte auch immer gebraucht werden. Damit ich nicht immer doof dabei stehen muss, wenn repariert wird, habe ich leichtsinnigerweise zugesagt, mich auf diesem Sektor weiterzubilden. Mit meinen rudimentären Kenntnissen angeben, das beherrsche ich ja jetzt schon ganz gut.
Was nützen die schönsten Oldtimer, wenn sie in irgendwelchen Garagen, Scheunen oder Schaukästen verstauben. Es ist technisches Gerät und sollte bewegt wer-den, so sehen Gerd und ich es jedenfalls. Deshalb ist es uns immer wieder ein Vergnügen, unsere Quicklys zu fahren. Seinerzeit in Italien, bei einer Pause am Gardasee, wurde ich von einem Deutschen ziemlich angemotzt, was mir denn einfiele, mit so etwas, er meinte die Quicklys, in der Gegend herumzufahren. Das gehöre hingestellt! Ja, auch ich bin eine große Freundin von Museen, aber was haben wir davon, unsere Fahrzeuge immer nur anzusehen.
Es gibt für Oldtimer-Autos eine Reihe von Veranstaltungen, seien es nur gemeinsame Ausfahrten oder auch Rallyes, für Zweiräder habe ich bisher noch keinen solchen Event ausgemacht. So eine Oldtimer-Zweirad-Rallye wäre vielleicht ganz unterhaltsam. Dafür müsste ich dann meine Mechanikerkenntnisse auf Trab bringen. Also Gerd, ran an Knarre, Nüsse, Schraubendreher und Muttern.
Am 2. 7. 2011 stand der Tacho auf 5.446 km. Wenn man jetzt die Differenz berechnet, zu unserer letzten Tour nach Italien vor fünf Jahren, stellt man fest, es sind 1.627 km. Für unsere Verhältnisse eine Lachnummer, das macht eine jährliche durchschnittliche Fahrleistung von 325 km. Wir hatten nur Ausflüge in die Umgebung gemacht, denn wir waren mit anderen Projekten befasst. So hat unsere NSU-Familie Zuwachs bekommen, in Form von zwei NSU-Lambrettas. Beide Lambrettas hatten wir von älteren Herren erworben, die ihr Hobby aus Gesundheits- und Altersgründen aufgeben mussten. Ich denke, sie haben keine schlechte Wahl mit ihren neuen Besitzern getroffen. Wir hatten die Fahrzeuge gründlich überholt und auch mit neuen Lackierungen versehen. Dabei stellte sich heraus, dass bei meiner Lambretta, Baujahr 1954, der tragende Rahmen gebrochen war. Als Gerd den Motor abmontierte, brach der Rahmen vollständig auseinander. Es war kein Betrieb bereit, den Rahmen zu einem angemessenen vernünftigen Preis zu schweißen. Ein NSU Ersatzteilhändler hat uns geholfen, indem wir einen gebrauchten Lambretta-Rahmen mit der alten Rahmen-Nummer eingestanzt bekamen. Gerd musste das Stück mit der alten Rahmennummer heraussägen und an den Betrieb schicken. Das war die erste böse Überraschung, die zweite wurde er-sichtlich, als die Lambretta eigentlich schon völlig wieder-hergestellt war. Bei der ersten längeren Probefahrt verlor die Maschine das gesamte Getriebeöl. Gerd wunderte sich, dass der Rahmen nach 30 km so ölverschmiert war. Das war jetzt erst einmal ein k.o.-Kriterium, bedeutete es doch, dass der gesamte Motor überholt werden muss. Gerd hatte es anfangs auch versucht, aber mangels genauerer Kenntnisse will er diese Aufgabe doch lieber einem Fachbetrieb überlassen. Aber, das kostet! Wir haben diese Arbeiten noch nicht durchführen lassen, weil, beide Maschinen getriebemäßig überholt werden sollen, denn auch Gerds Lambretta, Baujahr 1952, verliert Öl. Wir planen für das Kalenderjahr 2014, mit unseren leistungsstärkeren Lambrettas die Ostsee zu umrunden. Zuvor müssen wir aber noch einen Batzen Euros in die Hand nehmen und ein weiterer wesentlicher Punkt, diese Fahrzeuge müssen noch eingefahren werden. Ich zum Beispiel habe diese Lambretta überhaupt noch nie gefahren.
Vor unserer Quickly-Tour nach Italien hatten wir bereits die Wanderungen auf dem Jakobsweg im Visier. Auch diese Aktivitäten erforderten einen größeren Zeitaufwand, den man am Arbeitsplatz und mit den Kollegen planen musste. Die Gesamtstrecke auf dem spanischen Jakobs-weg kann man mit einem normalen Urlaub von drei Wochen nicht schaffen, deshalb entschieden wir uns, den Weg in einzelnen Etappen zu gehen. 2007 dann der Start in dem französischen St.-Jean-Pied-de-Port in den Pyrenäen. Das Ziel für diesen ersten Abschnitt war Burgos. Auf dieser Wanderung hatten wir so viele liebe Leute kennen-gelernt, dass wir sehr schweren Herzens in Burgos von ihnen Abschied nehmen mussten. So kam die Entscheidung zustande, dass wir den Rest nach Santiago de Compostela an einem Stück gehen wollen. Ausgestattet mit viereinhalb Wochen Urlaub zogen wir 2008 los und kamen am Ziel glücklich an. Auf diesen Wanderungen hörten wir von anderen Pilgern immer wieder, dass diese in Le-Puy -en -Velay im Zentralmassiv losmarschiert seien. Diese Strecke hatte uns neugierig gemacht und so begaben wir uns 2009, zusammen mit Pilgerfreunden der ersten Etappe, auf den Weg durch Frankreich. Das eigentliche Ziel konnten wir mit dem zur Verfügung stehenden Zeitrahmen nicht bewältigen. Folglich machten wir uns auch in 2010 auf den Weg. Leider mussten wir aus gesundheitlichen Gründen die Wanderung in der Gascogne, die blauen Pyrenäen bereits im Blickfeld, abbrechen. So ein Abbruch ist immer eine unbefriedigende Angelegenheit.
Immer wenn das neue Versicherungsjahr für Mopeds beginnt, das ist der 1. März, dann scharrt Gerd schon mit den Hufen. Er möchte den ersten Ausflug per Quickly in die Frühlingssonne machen, wenn sie denn scheint. So auch in diesem Jahr, die Mopedkennzeichen hatte ich besorgt, jetzt fehlte nur noch das entsprechende warme Wetter. Im April machten wir unseren ersten Ausflug in diesem Jahr. Leider mussten wir feststellen, dass unsere Motorradklamotten über den Winter eingelaufen waren, oder so! Wir zwängten uns trotzdem rein und sind so am Elbdeich entlang in Richtung Geesthacht gecruist. Als wir während einer Pause in Stove in der warmen Sonne saßen, überlegten wir, was wir wohl in diesem Jahr mit unserem Urlaub anfangen wollen. Eine Option wäre die Fortsetzung der so unglücklich abgebrochenen Pilgerwanderung. Das macht eigentlich keinen Sinn, denn es fehlten ohnehin nur noch wenige Wandertage bis zum Ziel. Außerdem planen wir für 2012, wenn Gerd ebenfalls von seiner Berufstätigkeit freigestellt sein wird, den ganzen Weg nach Santiago de Compostela an einem Stück von zu Hause aus zu laufen. Die Lambrettas stehen noch nicht für Ausfahrten zur Verfügung, da blieben eigentlich nur die Quicklys.
Wir schwelgten in Erinnerungen. Das tun wir öfter mal und erinnern uns immer wieder gern an die Italienfahrt. Quickly also! Diese liebgewordenen und so zuverlässigen Mopeds. Wo wollen wir hin? Gerd hat in diesem Jahr nur drei Wochen Urlaub am Stück. Gerd befand sich total auf dem Nostalgietrip, er möchte gern nach Dänemark, dort war er oft als Jugendlicher mit dem Fahrrad unterwegs und übernachtet und gegessen wurde in Jugendherbergen. Meine persönlichen Erinnerungen an Dänemarkaufenthalte waren eher von Langeweile geprägt, deshalb war ich zunächst nur mäßig begeistert. Wenn wir die Tour aber bis nach Norwegen verlängern würden, dann können wir über diese Route sprechen. Vor ein paar Jahren hatte ich eine Städtereise per Schiff, mit der Color Fantasy, von Kiel nach Oslo unternommen. Es war eine sehr aufregende Fahrt, im Oktobersturm 2006, ich war sehr beeindruckt vom Oslo-Fjord. Den würde ich mir gern mal von Land aus näher ansehen.
Außerdem habe ich noch eine wichtige Angelegenheit in Oslo zu erledigen. Die Zeit an Land war bei meinem ersten Besuch in der Stadt sehr knapp bemessen. Deshalb entschied ich mich für die dreistündige Stadtrundfahrt, um einen Überblick zu bekommen. Ein Museumsbesuch war in dieser Stadtführung enthalten, im Fram-Museum, direkt gegenüber dem Kon-Tiki-Museum. Im Kon-Tiki-Museum in Oslo sind zwei Originalfahrzeuge, mit denen der Forscher Thor Heyerdahl auf den Weltmeeren unterwegs war, ausgestellt. Diese Seereisen und Forschungen des Thor Heyerdahl faszinieren mich schon seit Jahrzehnten. Ich war zugegebenermaßen sehr stark versucht, das Fram-Museum mit dem Kon-Tiki-Museum zu tauschen, eine knappe halbe Stunde Zeit für ein Museum, das ist eine Zumutung. Eine schlappe halbe Stunde Zeit, das war der Grund, dass ich mir die Objekte des Fridtjof Nansen und des Roald Amundson auf ihren Nord- und Südpol-Expeditionen mit dem Forschungsschiff Fram im Schnelldurchlauf ansehen musste. Die Stadtführerin hatte ständig ihre Uhr im Blick und drängte zum Aufbruch, das ist gar nichts für Museumsbesuche. Vielleicht sollte man bei Stadtführungen ganz darauf verzichten. Ich bin stolz auf mich, denn ich war stark geblieben und hebe mir den ausgiebigen Besuch des Kon-Tiki-Museums für später auf.
Unsere Urlaubsplanung bekam jetzt eine eigene Dynamik. Es wurden Atlasseiten gewälzt, Streckenplanungen beim ADAC eingeholt und Überlegungen angestellt, wo wir unsere Nächte verbringen möchten. Dänemark und Nor-wegen sind teure Pflaster! Gerd haute es fast aus dem Anzug, als ich den Vorschlag machte, dass wir zelten sollten. Das dieser Vorschlag ausgerechnet von mir kommt, die ich mich jahrelang geweigert hatte, zu campieren. Ich glaube das war eine Entwicklung, die in unseren Pilgerwanderungen mit einfachsten Unterkünften, ja eigentlich nur ein Bett oder eine Matratze, ihren Anfang genommen hatte.
Die Tour Dänemark und Norwegen können wir nur machen, wenn wir zumindest die Strecke von Oslo nach Kiel mit der Fähre zurücklegen. In unserem Urlaubsmonat Juli befinden sich die Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg in den Sommerferien, das bedeutet, wir sollten die Fährverbindungen schon jetzt buchen, da-mit wir keine Probleme mit dem Transport unserer Fahr-zeuge bekommen. Das bedeutete auch, dass wir uns zeitlich und teilweise auch streckenmäßig festlegen mussten. Die Fährverbindung von Hirtshals in Dänemark nach Kristiansand in Norwegen wurde für den 9. Juli gebucht, die Strecke von Oslo nach Kiel für den 20. Juli 2011.
Die Ausrüstung musste noch besorgt werden. Wir hatten schon klare Vorstellungen, was wir wollten. Weil wir mit Mopeds unterwegs sein werden, brauchten wir nicht gar so sehr auf das Gramm achten, wie als Wanderer, mit einem selbstgetragenen Rucksack, obwohl, das Gesamtgewicht unseres Gepäcks durften wir nicht aus den Augen verlieren. Unser Geodät-Zelt hat mit der Zeltunterlage ein Gewicht von 4 kg. Für unsere Bequemlichkeit gönnten wir uns deshalb Super-Iso-Matten, 7,5 cm dick und entsprechend schwer. Man wird ja nicht jünger und ein kleinbisschen Komfort darf sein. Für eine Outdoor-Küche hatten wir keinen Platz, es musste wieder das Werkzeug ins Gepäck.
Gerd führte an beiden Quicklys Inspektionen durch und machte sich Notizen über die verwendeten Werkzeuge, damit er nicht zu viel mitschleppt. Fette und Öle, Lappen und Ersatzteile und auch eine kleine Vorratsreserve an fertig gemischtem Benzin mussten mit. Eigentlich fühlten wir uns bereits als alte Hasen, was die Planung von Aktionen angeht, trotzdem ist man vor Überraschungen nicht gefeit.
Dieses Mal fiel unser Kartenmaterial geradezu bescheiden aus. Mit drei Reisekarten, eine von Hamburg/Schleswig-Holstein, eine für Dänemark und eine für Süd-Norwegen werden wir auskommen. Unseren geplanten Streckenverlauf hatten wir eingezeichnet, das ist aber alles nicht zwingend, wie wir es schon früher gehandhabt hatten, wenn wir attraktivere Alternativen entdeckten. Einen kurzen Moment denken wir daran, unser Navigationsgerät mitzunehmen. Das ist nicht sinnvoll, denn wir haben keinen Stromanschluss zum täglichen Aufladen der Akkus in unserem Zelt und zu Oldtimern passt das ganz und gar nicht. Also gestrichen! Gerd und ich sind durchaus in der Lage, Karten zu lesen und wenn man sich verfährt kann es manchmal ganz schön spannend sein.
Noch eine noch andere Errungenschaft des elektronischen Zeitalters wird diese Reise nicht mit uns zusammen antreten, das ist der Laptop. Zum einen werden wir nicht sonst etwas an Wertgegenständen mitschleppen, zum zweiten haben wir keinen Platz und zum dritten können wir uns ja Internetpoints suchen, wenn wir das Bedürfnis nach Information und nach Kommunikation haben und viertens ist so ein Laptop nicht robust genug, um eventuell einen Sturz oder das Umkippen einer Quickly auszuhalten. Und für die Stromversorgung gilt das Gleiche wie für die Navigationsgeräte.
Nur unsere mobilen Telefone, die brauchen wir unbedingt, um den Kontakt untereinander und mit der Familie zu halten.
Mit dem Thema Fremdsprachen hatte ich mich dieses Mal nur am Rande beschäftigt. In Skandinavien wird sehr gut Englisch gesprochen, wir werden somit keine Verständigungsprobleme haben. Trotzdem suchte ich mir per Internet verschiedene dänische und norwegische Begriffe heraus, die die Höflichkeit und den technischen Bereich betreffen.
Alte Hasen hin oder her, in der Woche vor unserer Abreise plagen uns merkwürdige und krause Träume. Ich habe Gerd geraten, dass wir die besser alle für uns behalten, wer weiß, was jemand anderes daraus ableitet. Wie schon gesagt, vor Überraschungen, gleich welcher Art, ist man nie sicher und Pannen wird es geben, darüber machen wir uns gar keine Illusionen.